Sondervorstellung des NS-Propagandafilms „Kolberg“

Der NS-Propagandafilm „Kolberg“ im Cinewood Waldkraiburg

Am Montag, dem 8. Oktober 2018, war’s mal wieder soweit. Hauptsächlich die Schüler und Schülerinnen der 10. Bis 12. Klasse des Gymnasiums Gars durften, gerne auch mit Begleitung, dem alternativen Geschichtsunterricht zum Thema „Propagandafilme der Nationalsozialisten“ im Cinewood-Kinocenter in Waldkraiburg beiwohnen.

Nach einigen Unklarheiten bezüglich des Saales – ganz nach dem Motto Lehrer fragen Schüler, aktiver Unterricht – trudelten schließlich auch die letzten mit einer Viertelstunde Verspätung ein. Wie bei den beiden vorausgegangen Vorführungen, die Frau Eva Grebe organisiert hatte, wurde auch dieses Mal ein Film gezeigt, der, wie unser Referent mehrfach betonte, unter Vorbehalt steht, was bedeutet, dass dieser Film nur während der Anwesenheit eines Referenten gespielt werden darf. Nachdem im Februar 2017 mit „Jud Süß“ einer der bedeutendsten NS-Propagandafilme gezeigt worden war und im Oktober desselben Jahres dann der Film „Hitlerjunge Quex“ folgte, der zwar „nur“ eine Romanverfilmung von damals darstellt, aber selbst nach 70 Jahren immer noch eine massive Wirkung entfaltet, wie man an den Reaktionen von vor einem Jahr sehen konnte, schloss sich dieses Jahr noch ein dritter Film – „Kolberg“ – an.

Ganz extrem wirkte auch der Film „Kolberg“, der als der letzte NS-Propagandafilm sogar in Farbe produziert wurde. Um den Eindruck dieses Filmes, der von Zuschauern in der Nachbesprechung als „mitreißend“ und „Kampfeslust hervorrufend“ bezeichnet wurde, zu relativieren, ist die Anwesenheit eines Referenten notwendig, um bei der Öffentlichkeit einen kommentierten und damit kritisch-reflektierten Zugang zu diesem historischen Bildmaterial sicherzustellen.

Diese wichtige und keinesfalls zu unterschätzende Aufgabe der Vor- und Nachbereitung kam auch dieses Jahr wieder Horst Walter zu. Dieser Referent vom Institut für Kino und Filmkultur in Wiesbaden kommentierte auch diesen Propagandafilm, wie schon bereits die letzten beiden Male, mit einer beeindruckenden Kombination aus Humor, historischer und filmwissenschaftlicher Fachkompetenz sowie einem geschult kritischen Blick auf die Hintergedanken derer, die den Film vor über 70 Jahren drehten und mit zahlreichen propagandistischen Nuancen versahen. Nach einigen einleitenden Worten des Referenten wurde der Film abgespielt. Doch wovon handelt dieser überhaupt?

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„Kolberg“ ist der einzige Propagandafilm der Nationalsozialisten, der in Farbe gedreht wurde. Der Regisseur des Filmes war Veit Harlan, der ebenfalls „Jud Süß“ inszeniert hatte. Der Auftrag zum Film ist von Goebbels höchstpersönlich bereits im Jahre 1943 gegeben worden. Fertiggestellt wurde er jedoch erst 1945 und damit fiel sein Erscheinen quasi auf das Kriegsende. Das ist unter anderem einer der Gründe für die Unbekanntheit dieses Filmes, der jedoch auf qualitativ hochwertige Art gemacht worden  und damit durchaus mitreißend ist.

Die Rahmenhandlung des Filmes spielt 1813 in Breslau. In diesem Jahr versucht Oberst Gneisenau König Wilhelm III. dazu zu überreden, nicht nur Soldaten gegen Napoleon einzusetzen, sondern auch das einfache Volk zu den Waffen greifen zu lassen. Um seine Argumentation zu unterstützen, greift er auf das Beispiel Kolbergs im Jahre 1806 zurück und die Geschichte der Kolberger wird in einer Art Rückblende berichtet, die den Großteil des Filmes ausmacht. Erzählt wird nun eine zu propagandistischen Zwecken nur leicht abgewandelte, aber dennoch dramatisierte Version der historischen Ereignisse. Die Stadt wird durch die Franzosen bedroht und belagert. Der Kommandant Loucadou sieht sich gezwungen aufzugeben, doch der willensstarke Bürgerrepräsentant Nettelbeck, der kurzzeitig wegen seines Widerstands zum Tode verurteilt werden soll, stellt als Bürgerrepräsentant eine Bürgerwehr auf. Diese besteht aus allen Bürgern, die bereit sind, ihre Stadt zu verteidigen und Nettelbeck kämpft selbst nach Leibeskräften. Einen Verbündeten findet er im Rittmeister Schill, der ihn immer wieder rettet und unterstützt. Als die Lage allzu aussichtslos scheint, reist die mutige und junge Maria allein durch die feindlichen Truppen, um beim preußischen König einen Brief abzugeben, in dem Nettelbeck um einen neuen, mutigeren Kommandanten bittet. Dort wird ihr Ersuchen erfüllt und Gneisenau wird als neuer Kommandant Kolberg zugeteilt. Das Triumvirat aus Nettelbeck, Schill und Gneisenau, stellt dann erfolgreich eine Bürgerwehr auf die Beine und gemeinsam schaffen sie es, der französischen Übermacht lange genug zu trotzen, bis die Belagerung von den Franzosen aufgegeben wird. Erst die Schlacht bei Friedland und der Frieden von Tilsit beenden die Belagerung.

Damit endet die Rückblende und der Zuschauer befindet sich wieder im Jahr 1813, in dem Wilhelm III sich von Gneisenau überreden lässt, alle zum Krieg zu rufen. Als er sich zur Verkündung seiner Entscheidung zur Balustrade begibt, steht das gesamte Volk davor versammelt und bittet geradezu darum, zu den Waffen greifen zu dürfen. Der Film zelebriert die sinnlose Opferbereitschaft aller Beteiligten und lobt jene, die trotz des Verlustes aller geliebten Menschen weiterkämpfen und dadurch Durchhaltevermögen und Opferbereitschaft zeigen.

Der eigentlichen Filmvorführung folgte ein weiterer kurzer Vortrag Horst Walthers, in dem einige filmsprachliche Details besprochen wurden, so z.B. der immer wiederkehrende Baum auf der Leinwand, um filmisch den Eindruck von Tiefe des Raumes zu erzeugen. Interessant auch, dass in der historischen Realität, die ja durchaus dem Film zum Vorbild diente, der Friede von Tilsit gerade die Sinnlosigkeit des aufopferungsvollen Widerstands markierte, weil Preußen, und damit auch Kolberg, sich letztlich den Franzosen unterwerfen musste, was natürlich ausgespart blieb. Auch eine Frage- und Diskussionsrunde der Besucher schloss sich an, die sich rege beteiligten. Vor allem bei der Frage, ob es noch immer berechtigt ist, dass der Film unter Verschluss steht, gingen die Ansichten durchaus auseinander. Einigkeit herrschte letztlich jedoch darüber, dass es sehr wohl sinnvoll ist, eine Vorführung von NS-Propagandafilmen von einem Experten begleiten zu lassen. Hierbei spielt nicht nur die Darstellung von korrekten historischen Fakten eine Rolle. Besonders bei einem so jungen Publikum geht es auch um die Vermittlung wichtiger Moralvorstellungen sowie darum, eine kritische Sichtweise auf die verschiedenen Inhalte zu fördern, denn das ist heute nicht weniger gefragt als vor 70 Jahren.

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In Zeiten, in denen jeder seine Meinung im Internet kundtun und einer enormen Menge an Leuten zukommen lassen kann, in denen „Fake-News“ fester Bestandteil des Alltags sind und sich selbst rassistische und rechtsradikale Gruppierungen immer mehr Gehör verschaffen, kommt es genau darauf an, verantwortliches Handeln zu schulen. Wir haben eine Verantwortung, der wir nur dann gerecht werden können, wenn wir nicht einfach alles glauben, sondern Inhalte kritisch hinterfragen und uns bestmöglich informieren. Eine Filmvorführung des letzten gedrehten NS-Propagandafilmes auf die Beine zu stellen, ist ein sehr guter Schritt in die richtige Richtung!

Lavinia Klostermeier

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