„Jud Süß“: Die Raffinesse der Nazi-Propaganda – W-Seminar des Gymnasiums Gars organisiert beeindruckende Kinovorführung

herr-walther-filmvorfuehrung-jud-suessEine Kooperation zwischen dem Cinewood-Kinocenter Waldkraiburg und dem Gymnasium Gars bescherte am Abend des 21.02.2017 über 180 Besuchern eine Geschichtsstunde der besonderen Art. Die Leiterin des W-Seminars „Propagandafilme analysieren“ der Q11 des Gymnasiums Gars, Eva Grebe, organisierte eine kommentierte Vorführung des nationalsozialistischen Propagandafilms „Jud Süß“ aus dem Jahr 1940, und Cinewood-Geschäftsführer Thomas Rahnert stellte dafür einen seiner größten Kinosäle zur Verfügung.

„Ich freue mich sehr über eure und Ihre freiwillige Anwesenheit nach einem langen Schultag“; sagte Frau Grebe bei der Begrüßung, denn neben einigen Lehrern waren 180 Schüler ab der 10. Jahrgangsstufe sowie einige Eltern gekommen. Sie begrüßte auch den Referenten Horst Walther vom „Institut für Kino und Filmkultur“ (Wiesbaden), der den Abend mit filmwissenschaftlichen Kommentaren begleitete. Denn der Kinofilm „Jud Süß“ ist ein „Vorbehaltsfilm“, der wegen seines antisemitischen und volksverhetzenden Inhalts bis heute unter Verschluss ist und nur öffentlich vorgeführt werden darf, wenn ein Referent den Film vor- und nachbereitet.

„Jud Süß“, der aufwändigste Unterhaltungsfilm der NS-Zeit, handelt vom Aufstieg des Juden Süß Oppenheimer (gespielt von Ferdinand Marian) am Hof des württembergischen Herzogs (Heinrich George) im 18. Jahrhundert. Der Jude, der zum wichtigsten Geld- und Ratgeber des Herzogs wird, nutzt seine Position in allen Bereichen schamlos aus und begeht zahllose Verbrechen. Der Film endet damit, dass Süß Oppenheimer nach dem Tod des Herzogs vor Gericht gestellt und gehängt wird. Obwohl sich die Geschichte an einer historischen Figur orientiert, hielt sich Regisseur Veit Harlan nicht an diese Vorlage. Er verfälschte die historischen Zusammenhänge so, dass unterschwellig der Hass gegen die Juden geschürt wird. Gerade die Tatsache, dass der Film nicht offen als Propagandamaßnahme bezeichnet wurde, sondern im Gewand eines eher sentimentalen, mitunter fast kitschigen Spielfilms daherkommt, machte ihn so gefährlich. Ab 1940 sahen 20 Millionen Menschen diesen Film, darunter viele Kinder und Jugendliche, denen der Film sogar in der Schule vorgeführt wurde. Zum Vergleich: Einer der erfolgreichsten Spielfilme der heutigen Zeit, „Titanic“ aus dem Jahr 1997, hatte in Deutschland insgesamt 18 Millionen Zuschauer.

Im Anschluss an die Vorführung, die von einer anhaltend hohen, fast atemlos anmutenden Aufmerksamkeit geprägt war, stellte Referent Horst Walther in mitreißender Rhetorik die perfide Machart des Films an einigen Beispielszenen deutlich heraus. Auch das Publikum kam abschließend zu Wort: Es äußerte sich unter anderem dazu, ob der Film heute, nach 70 Jahren, noch genauso gefährlich sei wie 1940 und es deshalb gerechtfertigt sei, ihn nur unter diesen besonderen Umständen zu zeigen. Hier war die Meinung der Anwesenden nahezu einhellig, dass der Film auch weiterhin nicht öffentlich zugänglich gemacht werden sollte, da er auch heute noch seine Wirkung entfaltet. Schulleiter Gunter Fuchs wies zum Abschluss noch auf die Aktualität des Films im Hinblick auf eine auch heute vielfach anzutreffende propagandistische Darstellung bestimmter Gruppen in den Medien hin.

Alle, die diesen aufschlussreichen Abend miterleben durften, haben hoffentlich die Fähigkeit zu einem nachhaltig veränderten kritischen Blick auf das Medium Film und die Mittel der Propaganda generell mit nach Hause genommen.