„Gestohlene Jugend“ – Zeitzeugenvortrag von Hans Joachim Harnischmacher

„Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muss weggehämmert werden. Es wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene und grausame Jugend will ich …“

Mit diesen Worten brachte Adolf Hitler die Erziehungsziele der NSDAP auf den Punkt. Ziele, die kein Selbstzweck waren, sondern dazu dienten, eine Generation von klein auf für Kampf und Krieg zu erziehen. Die Jugendlichen selbst durchschauten das freilich nur selten und waren oft sogar begeistert, als sie in der Hitlerjugend auf spielerische Weise auf das Kriegshandwerk vorbereitet wurden.

Einer von ihnen war Hans Joachim Harnischmacher, der am 26. Juli 2016 den Schülern der 9., 10. und 11. Jahrgangsstufe des Garser Gymnasiums über seine Jugendzeit im Nationalsozialismus berichtete. Der 1928 geborene Harnischmacher, der aus dem Bergischen Land in Nordrhein-Westfalen stammt, ist bei Kriegsbeginn elf Jahre alt. Als ältester von vier Brüdern wird er bereits in der Schule auf Volk und Führer eingeschworen. Parallel dazu verläuft der Dienst in der Hitlerjugend: Odin statt Jesus, Vaterland statt Elternhaus. Das Ganze mündet darin, dass der 15-Jährige irgendwann den Wehrpass in Händen hält, in dem er als „Offiziersbewerber des Großdeutschen Heeres“ tituliert wird. Die Folge: entsetzte Eltern, ein stolzer Sohn. Dann die Einberufung zum Luftwaffenhelfer im Januar 1944. Längst ist der Krieg verloren, doch kaum einem der 15 – 16jährigen Flakhelfern ist dies bewusst. Eher denken sie bei Eintreffen des Stellungsbefehles an einen Abenteuerurlaub, bei dem man der Schulbank für lange Zeit ade sagen kann. Es folgen mehrere Stellungswechsel. Von Hagen geht es nach Münster und von dort an die berüchtigte Möhne-Talsperre. Harnischmacher wird bedingungslos in die Pflicht genommen, selbst kleinste Fehler unterliegen strengster Bestrafung. „Ich habe mich zu der Zeit, mit meinen erst 16 Jahren, älter gefühlt, als ich es heute mit 88 bin“, bilanziert er diese Lebensphase. Ein paar Monate vor Kriegsende dämmert es dem jungen Mann langsam und er stellt Fragen: „Wo waren unsere Vorbilder und Mächtigen, denen wir geglaubt hatten? Was war aus all den Helden geworden?“ Er folgt dem Rat eines Feldwebels und macht sich in den Wirren der letzten Kriegswochen vom Allgäu aus auf den Weg in Richtung Heimat. Im April 1945 steht er schließlich „in Wehrmachtshose, ausgelatschten Knobelbechern und schäbigem Pullover“ vor dem Schutthaufen seines Elternhauses, das die Amerikaner beim Häuserkampf abgebrannt haben.

Interessiert verfolgten die Schüler den authentischen Bericht des erstaunlich rüstigen Endachtzigers, der ehrlich von seiner anfänglichen Faszination für Hitler und den Nationalsozialismus erzählte. Besonders beeindruckend waren dabei seine Ausführungen zum paramilitärischen Charakter des Sportunterrichtes. Dazu gehörte auch der rücksichtslose Umgang mit sensiblen Schülern, der sich bei der späteren militärischen Ausbildung konsequent fortsetzte. Das Schwache musste eben „weggehämmert“ werden,- genauso wie jener selbsternannte „Führer“ forderte, der nicht nur Hans Joachim Harnischmacher die besten Jahre seines Lebens stahl.

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Foto: OStD Gunter Fuchs bedankt sich bei Hans Joachim Harnischmacher für den informativen Vortrag

(Martin Göller)