Erzählwettbewerb der Klasse 5d (März 2017)

Der goldene Gürtel

von Philip Topa
Es war einmal ein armer Hirtenjunge, der beide Eltern verloren hatte. Er verdiente gerade so viel, dass er davon leben konnte. Doch es reichte nicht immer.

Eines Tages ging er in den Wald, um Feuerholz für die Nacht zu suchen. Im Wald war es stockdunkel und der Junge fürchtete sich sehr. Dann tauchte plötzlich ein riesiger Wolf auf. „Ist das das Ende?“, dachte der Junge ent­setzt. Da fing der Wolf an zu sprechen: „Fürchte dich nicht, ich werde dich nicht fressen, auch wenn ich sehr hungrig bin. Es gibt einen goldenen Gür­tel, der einen zehnmal so stark macht und der sich jedem Körper anpasst. Wenn du mir versprichst, mein Freund zu werden, werde ich dich zu ihm füh­ren.“ „Ja, ich werde dein Freund werden“, antwortete der Junge. Der Wolf erzählte, dass sie ins Tal der Riesen gehen mussten, um den Rie­sen­könig zu besiegen. Sie wollten am nächsten Tag aufbrechen.

So legten sie sich schlafen und als sie am frühen Morgen aufwachten, mach­ten sie sich sofort auf den Weg. „Wir müssen durch den Wald laufen“, er­klärte der Wolf dem Jungen, der immer noch verdutzt war vom gestrigen Tag. Sie waren schon eine Weile gewandert, als es in einem Busch raschelte und ein Zwerg heraussprang, der sehr an einen Pilz erinnerte. Er fragte neu­gierig: „Was macht ihr hier in diesem Teil des Waldes?“ Der Wolf ent­geg­nete selbstbewusst: „Wir sind auf dem Weg ins Tal der Riesen, um den gol­denen Gürtel zu holen.“ „Dann komme ich mit“, sagte der Zwerg. So mach­ten sich die drei auf den Weg ins Tal. Endlich nach ein paar Stunden Fuß­marsch kamen sie an. Der Junge war froh, dass sie es bis ins Tal der Rie­sen geschafft hatten. Doch jetzt wurde es ernst. Sie suchten die Höhle des Rie­senkönigs und fanden sie auch ziemlich schnell, also stiegen sie in sie hinab und erblickten sogleich den Riesenkönig. Er war mindestens sechs Me­ter groß und schlief, doch als sie sich näherten, wachte er auf, sah die Ein­­dringlinge und schlug nach ihnen. Er traf zwar keinen von ihnen, doch schlug er so fest zu, dass die Höhle bebte. Die drei rannten hinaus und der Riese wurde von herabfallenden Felsen getroffen und zerdrückt.

Der Zwerg sagte: „Wir haben den Riesen besiegt! Auch wenn wir den gol­de­nen Gürtel nicht bekommen haben, wir können dies dem König be­richten!“ Und so gingen sie wieder zurück und erzählten alles dem König. Dieser ließ sie zum Ritter schlagen und sie mussten nie mehr hungern. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

 

Die verzauberte Amsel

von Anna Barth
Es war einmal vor langer Zeit ein Waisenmädchen. Sie lebte in einem Dorf, wo sie mehr recht als schlecht mal von der einen, mal von der anderen Fa­milie versorgt wurde, denen sie ihre Dienste anbot. Sie hatte kein sehr schö­nes Leben. Das Mädchen stand jeden Tag beim ersten Morgenlicht auf, um Wasser aus dem Brunnen zu holen. Danach schmerzten ihr die Schultern sehr, doch an eine Pause durfte sie nicht denken. Sie musste das Frühstück für die Familie zubereiten und noch viele andere Aufgaben erledigen. Als Lohn bekam sie dafür eine Scheibe hartes, trockenes Brot und ein Strohlager bei den Tieren.

Eines Tages sah sie auf dem Weg zum Brunnen eine Amsel reglos wie einen Stein auf dem Boden liegen. Das Waisenmädchen dachte, sie wäre tot. Doch da kam ein heller Schein auf sie zu, der sie zurückweichen ließ. „Was ist das?“, fragte sich das Mädchen. Plötzlich sah sie einen Engel mit einem schnee­weißen Kleid. Der Engel hatte langes, goldenes Haar. Er sagte: „Fürch­te dich nicht, ich bin nur ein Engel. Diese Amsel ist kein gewöhnlicher Vogel. Sie wurde von einer bösen Hexe verwandelt. Früher war sie genauso ein Engel wie ich. Pflege sie und es wird ein Wunder geschehen.“

Also nahm das Waisenmädchen die verletzte Amsel auf den Arm und ging mit ihr nach Hause. Sie musste den Vogel verstecken, um ihn vor den an­deren Menschen zu schützen. Jeden Tag gab das Waisenmädchen die Hälfte ihres Brotes ihrer Amsel. Sie sorgte für sie, so gut sie konnte. Das Mädchen lieb­te ihre Amsel und sie gaben sich gegenseitig Wärme und Mut. Eines Tage erstrahlte der Stall in hellem Glanz. Aus der kleinen Amsel wurde wieder ein wunderschöner Engel. Er glitzerte wie ein Stern im Morgenland. „Dan­ke“, sagte der Engel mit seiner wunderschönen Engelsstimme. „Du bist mei­ne Retterin! Zum Dank gebe ich dir dieses goldene Herz. Es wird dir drei Wün­sche erfüllen. Du brauchst es nur an dich zu drücken, deine Augen zu schließen und dir etwas ganz fest zu wünschen, dann wird es geschehen. Aber gib Acht, wünschst du dir das Fal­sche, kann es gefährlich werden!“ Das Mädchen hatte vor lauter Freude und Aufregung nicht auf die genauen Worte des Engels gehört. Dann flog der Engel davon. Aus der Luft rief er noch hinunter: „Merke dir meine Worte, sie sind wichtig!“ Das Waisenmäd­chen nickte bloß. Sie wollte gleich ihren ersten Wunsch in Erfüllung gehen lassen.

Das Mädchen hatte immer Hun­ger und sehr wenig zu essen, daher wünschte sie sich, dass sie sich einmal rich­tig am Essen der Dorfbewohner satt essen konnte. Als sie ihren Wunsch aus­gesprochen und ihre Augen wieder geöffnet hatte, standen die leckersten Speisen vor ihr. Das war eine Freude! Doch das Mädchen hatte die mahnen­den Worte ihres Engels nicht gehört und ohne nachzudenken ihren Wunsch ge­sprochen. Bald merkten die Leute im Dorf, wo ihr Essen zu finden war, und wollten sich an dem armen Waisenmäd­chen rächen. Das Mädchen hörte von weitem die Menschen, wie sie schrien und mit Knüppeln bewaffnet auf den Stall zukamen. Sie erschrak und hatte nur noch einen Gedanken: „Schnell weg von hier!“ In Eile packte sie in ihr Bün­del, so viel sie tragen konnte, und rannte in den nahen Wald, wo sie nie­mand finden konnte. Traurig blickte sie zurück. Auch wenn es ihr nie gut ging, fiel es ihr schwer, ihre Heimat zu verlassen. Am nächsten Morgen, als es wieder ruhig war, lief sie an Feldern, Wiesen und Wäldern vorbei, bis sie ganz erschöpft an eine Höhle kam, wo sie sich niederlassen konnte. Kaum hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt, erschrak sie gewaltig. Sie war nicht allein! In der Ecke saß ein junger, hübscher Mann. Als das Mädchen genauer hin­schaute, erkannte sie den Prinzen. Schnell verbeugte sie sich vor ihm. Doch der Prinz sprach: „Ach, was verbeugst du dich vor mir? Ich bin schon längst kein Prinz mehr. Sieh mich doch an! Mei­ne Kleider sind zerrissen, ich laufe barfuß und muss hungern. Bald wer­de ich sterben.“ Das Waisenmädchen erschrak, denn sie hatte sich schon längst in ihn ver­liebt. Sie teilte sich mit ihm ihr letztes Essen. Der hübsche Prinz lächelte sie an und das arme Mädchen lächelte zurück. Später fragte sie: „Wieso bist du eigentlich kein Prinz mehr?“ Der Prinz schluckte seinen letzten Happen Brot hinunter und fing an zu erzählen: „Ich habe sehr viele Leute einsperren las­sen, nur weil sie mehr zu essen haben wollten. So machte ich mich sehr un­beliebt und wurde von den wütenden Bauern vertrieben. Inzwischen ha­be ich gemerkt, dass ich viele Fehler gemacht habe. Hätte ich nur einen Wunsch frei, würde ich gern ein guter Prinz sein und den Men­schen in mei­nem Land helfen.“ Das Waisenmädchen hatte sehr großes Mit­leid mit ihm. Da fiel ihr der zweite Wunsch ein. Mit diesem wollte sie gern dem Prinzen helfen. Also drückte sie das goldene Herz an sich und wünschte sich einen gutmütigen und gerechten Prinzen. Plötzlich war der Prinz weg! Das Wai­senmädchen wusste, dass ihr Wunsch in Erfüllung gegangen war. Sie freute sich für den Prinzen, war aber zugleich auch traurig. Schließlich war sie nun wieder allein. In der Höhle war es kalt und dunkel. Sie kuschel­te sich in ihren Mantel und dachte an ihre Heimat und ihren Engel. Mit die­sen Ge­danken schlief sie ein.

Am nächsten Morgen wachte sie mit den ersten Sonnenstrahlen auf und über­legte für einen kurzen Moment, wo sie war. Ach wie gerne hätte sie jetzt wenigstens ein hartes trockenes Brot gehabt! Ihr letztes Essen hatte sie ges­tern mit dem Prinzen geteilt. Übrig war nur noch ein kleiner Schluck Was­ser. Sie beschloss, sich auf den Weg zu machen, um in der nächsten Stadt zu betteln. Sie klopfte an viele Türen, doch niemand wollte ihr etwas geben oder gar die Tür aufmachen. Voller Erschöpfung entschied sie sich, diese hart­herzige Stadt zu verlassen. Auf ihrem Weg ging sie an einem hübschen Haus vorbei. Das Fenster stand weit offen, so dass sie alles mithören konnte. Die Leute unterhielten sich über einen großen Sturm, der bald das Nach­bar­dorf erreichen sollte. „Die Menschen werden alle sterben!“, rief jemand. Das arme Mädchen erschrak. Konnte man denn gar nichts tun? Da fiel ihr der dritte Wunsch ein. Auch wenn die Menschen nicht sehr nett zu ihr gewe­sen waren, wollte sie ihnen helfen. So schnell ihre Beine sie tragen konnten, lief sie in ihr Dorf, ihre alte Heimat, zurück. Sie drückte das goldene Herz an sich, schloss die Augen und wünschte sich statt Sturm Sonne. Und weil nun die Sonne hinter den Wolken hervorkam, wusste sie, dass ihr Wunsch in Erfüllung gegangen war. Als die Menschen sie erblickten, wollten sie sie ver­treiben. Da kam ihr Engel mit einem großen Lichtstrahl vom Himmel herab und erzählte den Dorfbewohnern die ganze Geschichte. Sie bedankten sich bei dem Waisenmädchen und entschuldigten sich für ihr Verhalten.

Überall im Land berichteten die Menschen über dieses Wunder. So erfuhr auch der Prinz davon. Er ritt zu dem Mädchen ins Dorf und holte sie auf sein Schloss. Sie feierten Hochzeit, bekamen viele Kinder und waren sehr glück­lich. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.