Neon 2019

Smartphonenutzung und die Digitale Diät

Durchschnittlich 88-mal pro Tag schalten wir unser Handy ein, um beispielsweise auf die Uhr zu blicken. 53-mal entriegelt der durchschnittliche Nutzer es, um Apps zu nutzen. Geht man jetzt von acht Stunden Schlaf aus, unterbricht man alle 18 Minuten seine Tätigkeit. Die reinen Displayzeiten auf dem Smartphone liegen bei den 17- bis 25-Jährigen bei drei, bei Erwachsenen bei zweieinhalb Stunden und dabei machen „nützliche“ Apps, wie Einkaufszettel oder Taschenrechner, lediglich knapp zehn Minuten aus. Diese Daten veröffentlichten Bonner Forscher als vorläufige Daten aus der Menthal Studie.

Die Forscher*innen haben dazu eine App (Menthal App, s. Google Playstore) entwickelt, mit der man sein Smartphone-Nutzungsverhalten überprüfen kann. Gleichzeitig sendet die App diese Daten anonymisiert an die Forscher*innen, welche sie auswerten. Daraus ist unter anderem das Buch „Digitaler Burnout“ von Alexander Markowetz entstanden.

Laut den Forscher*innen regen Smartphones, wie jedes Suchtverhalten, das Belohnungszentrum im Gehirn an. Jedes Mal, wenn der Nutzer auf sein Handy blickt und eine neue Aktivität, zum Beispiel eine neue Whatsapp oder eine Info aus dem Newsfeed, entdeckt, werden Glückshormone ausgeschüttet. Bedingt durch das ständige Belohnen wird die Zeit zwischen den Handyaktivierungen immer kürzer.

Jetzt könnte man sagen, dass es doch nicht schlimm ist, wenn man regelmäßig auf das Handy blickt. Man muss aber bedenken, dass das menschliche Gehirn leider nicht multitaskingfähig ist. Bei jedem Tätigkeitswechsel sinkt die Qualität der Arbeit. Der Mensch kommt nicht mehr in den sogenannten Flow-Zustand. Dieser Zustand wird beschrieben als dem idealen Punkt zwischen Unter- und Überforderung mit der höchsten Motivation. Durchschnittlich benötigt man 15 Minuten um diesen Zustand zu erreichen. Wenn man allerdings durchschnittliche alle 18 Minuten seine Tätigkeit wegen des Handys unterbricht, kann man nicht mehr von einer guten Arbeitsweise sprechen. Manche Jugendliche trainieren sich so eine Aufmerksamkeitsstörung an.

All diese Tatsachen ändern jedoch nichts an der Situation. Das Smartphone ist allgegenwärtig und wird (wahrscheinlich) nicht mehr verschwinden. Man muss also lernen es auf eine gesunde Weise zu nutzen.

Die am meisten diskutierte Frage ist wohl die, ab wann man dem Kind ein Handy schenken soll. Und hier ist schon das erste Problem zu finden. Expert*innen raten den Eltern nämlich das Handy nie zu verschenken. Am besten wäre es das Handy an einem ganz gewöhnlichen Wochentag an das Kind als Leihgabe zu übergeben. Diese kann nämlich mit Bedingungen verknüpft werden. Ein Geschenk kann man nach einem Regelverstoß nicht einfach wieder zurückfordern, ein geliehenes Gerät schon.

Einen Handyvertrag kann man rechtlich mit 16 Jahren abschließen. Verträge, die von den Eltern abgeschlossen werden, können, egal welches Alter die Kinder haben, nicht verschenkt werden. Hier gilt immer, Eltern haften für ihre Kinder.

Hat man dem Kind dann ein Handy übergeben, sollte man es nicht alleine lassen. Man sollte regelmäßig mit ihm über bestimmte rechtliche Grundlagen (z.B. Bildrechte in Whatsapp, Facebook und Co) reden und das Gerät mittels technischer Sicherungen kontrollieren.

Forscher*innen raten heute zu einer Digitalen Diät. Alexander Markowetz nennt seine Menthal App deshalb auch „digitale Waage“. Der völlige Verzicht auf das Smartphone ist fast unmöglich. Der Mensch muss aber eine bewusstere Nutzung lernen.

Dazu gibt es einige einfache Tipps:

Bewahre dein Handy nicht direkt greifbar auf!

Wenn man das Handy ganz unten in der (Schul-) Tasche aufbewahrt oder im anderen Raum, überlegt man sich zweimal, ob man es nur kurz heraus-/holt.

Setze dir zeitliche Grenzen!

Ich nutze das Gerät jetzt bewusst eine halbe Stunde zum Whatsapp schreiben und lege es danach wieder in die Handygarage.

Schaffe handyfreie Zonen und Zeiten!

Das Handy hat im Schlafzimmer nichts verloren. Auch während den Hausaufgaben- oder Essenszeiten sollte das Smartphone nicht greifbar sein.

Nutze das Handy nicht als Wecker!

Sonst gilt die erste Aufmerksamkeit des Tages dem Smartphone und all den Nachrichten darauf.

Schaffe dir (wieder) eine Armbanduhr an!

Wichtig: hiermit ist keine Smartwatch gemeint!

Man schaut oft nur kurz aufs Handy um die Uhrzeit zu sehen und entriegelt es dann, weil man eine neue Nachricht hat.

Schaffe dir eine Handygarage an!

Stelle z.B. eine schöne Kiste in einen wenig frequentierten Bereich des Hauses und lege das Smartphone in handyfreien Zeiten dort ab.

Für Erwachsene: Sei den Kindern ein Vorbild und achte auf dein eigenes Nutzungsverhalten!

Diese und viele weitere Fakten und Tipps gab Herr Tobias Koy, ein Sozialpädagoge der Suchtpräventionsstelle neon in Rosenheim, am Elternabend in Waldkraiburg an interessierte Eltern weiter.

Im Juli 2019 fanden nun wieder die dazugehörigen Workshops in den siebten Klassen statt. Ein Novum dieses Jahr: die Hälfte der Schüler*innen wählte den digitalen Workshop. Damit zeigte sich auch hier die Bedeutung des Themas für die Schüler*innen.

Den Elternabend und die Workshops können die drei Landkreis Gymnasien nur durchführen, weil wir zahlreiche Sponsoren haben. Auch dieses Jahr möchten wir uns daher wieder für die finanzielle Unterstützung bedanken!

Suchtpräventionsbeauftragte Sarah Kobler